erschienen in: Medien-Philosophie, Homepage von Frank Hartmann, Februar 2003.
Frank Hartmann und Mike Sandbothe
Zur aktuellen Debatte über Medienphilosophie
Hartmann: Woher kommt denn die seltsame Abwehrhaltung der etablierten Philosophie gegen das Thema Medien/Mediales?
Sandbothe: Philosophieprofessoren sind wie die Bäume in Tolkiens 'Herr der Ringe'. Sie denken langsam und in großen Zeiträumen und bewegen sich nur im äußersten Notfall. Das Thema Medien halten die meisten von ihnen für ein Zeitgeistproblem, das man in aller Ruhe aussitzen kann. Nur keine Hektik! Nichts übereilen! Schließlich hat das Fach fast drei Jahrhunderte dazu gebraucht, um die Wende von der Bewusstseins- zur Sprachphilosophie zu vollziehen!
Schon im 18. und 19. Jahrhundert hatten de Maupertuis, Herder, Hamann und Humboldt vergeblich versucht, das Thema Sprache auf die philosophische Tagesordnung zu setzen. Erst nachdem Russell, Wittgenstein und Carnap in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die von Frege gelegten Grundlagen für eine logische Formalisierung sprachlicher Strukturen weiterentwickelt haben, begann man in der zweiten Jahrhunderthälfte das Thema ernsthaft zu erwägen. Das Ergebnis: Auch in Deutschland werden neuerdings Professuren ausgeschrieben, die sich der Sprachphilosophie als 'neuer' philosophischer Fachdisziplin widmen.
Sie können sich ausrechnen, welchen Weg die Medienphilosophie noch vor
sich hat! Die heutigen Medienphilosophinnen und Medienphilosophen sind ungefähr
in der Situation, in der sich de Maupertuis, Herder und Hamann im 18. Jahrhundert
befunden haben. Ein Frege, der die medialen Strukturen von Bildern und Klängen,
von Fernsehen und Internet logisch reformuliert, ist noch nicht in Sicht. Vielleicht
wird es ihn nie geben!
Vielleicht wäre das auch gut so. Vielleicht wird die Fachphilosophie in
den nächsten Jahrhunderten daran zu arbeiten haben, ihr Verhältnis
zur Logik zu überprüfen. Eventuell liegen die zukünftigen Aufgaben
des Fachs und die Herausforderungen, vor denen die Medienphilosophie in den
kommenden Jahrhunderten steht, auf anderen Gebieten: ethischen, politischen,
ästhetischen, pädagogischen, ökonomischen!
Wie dem auch sei: Die Philosophen sind wie die Bäume in Tolkiens 'Herr der Ringe'. Sie lassen sich Zeit. Viel Zeit! Und vielleicht ist das ja auch gut so in einer Welt der Beschleunigung und des wissenschafts- politischen Aktionismus. Schließlich ist es noch immer das philosophische Loblied der Langsamkeit, das viele junge Menschen dazu motiviert, das Fach zu studieren. Wenn man diesem Lied jedoch zu lange lauscht, dann schläft man ein und wird selbst zum Baum. Ein wenig medienphilosophischer Jazz kann daher der Zukunft der Philosophie nicht schaden!